Was ist Westernreiten?

Westernreiten ist für seine Anhänger nicht nur ein Sport – es ist eine Lebensphilosophie, dessen Fundament von den Cowboys im Wilden Westen gelegt worden ist. Neben spezieller Kleidung und Ausrüstung ist vor allem die impulsgesteuerte Reitweise mit einer feinen Hilfengebung und die intensive Reiter-Pferd-Beziehung ein erstrebenswertes Kennzeichen der Westernreiterei. Wir stellen dir in unserem Ratgeber den Westernreitsport im Detail vor und verraten dir alles, was du über die Ausrüstung von Westernreiter und Westernpferd wissen musst.

Westernpferd vor Blockhütte mit amerikanischer Flagge

Ursprünge des Westernreitens

Das Westernreiten wird automatisch mit den Cowboys aus dem „Wilden Westen“ in Verbindung gebracht, die vom Pferd aus möglichst effektiv mit ihren Rinderherden in der weiten Steppenlandschaft arbeiten mussten. Nicht nur die Pferde sollten von Grund auf belastbar und bequem zu sitzen sein – auch die Reitweise wurde von den Cowboys so angepasst, dass die Hilfengebung möglichst unkompliziert war, um lange Arbeitstage im Sattel möglichst komfortabel zu verbringen. Auch das Halten der Zügel in einer Hand stammt von den Cowboys, die mit der anderen Hand das Lasso hielten. Inspirationsquellen fanden die Cowboys unter anderem bei den indigenen Urvölkern Nordamerikas, die mit ihren Pferden auf Jagd gingen oder bei den spanischen Vaqueros, die im Zuge der Kolonialisierung nach Amerika übersiedelten.

Das Westernpferd

Jedes Pferd kann zum Westernreitpferd ausgebildet werden. Um die Westernreitweise möglichst gut umzusetzen, sind Charaktereigenschaften wie Ausdauer, Gelassenheit, Wendigkeit und Trittsicherheit eine bedeutende Grundlage. Die klassischen Pferderassen, die speziell für den Westernreitsport gezüchtet werden, sind in erster Linie Paint Horses, Quarter Horses und Appaloosas. Sie zeichnen sich durch das oben genannte Interieur aus und auch durch das besondere Exterieur aus, das stark im Kontrast zu den typischen „englischen Reitpferden“ steht:

  • relativ geringe Widerristhöhe bis zu 160 cm
  • kurzer Rücken
  • ausgeprägte Schulter
  • kräftige Hinterhand
  • ausgeprägte Muskulatur
Westernpferd mit weißer Blesse und Westernkopfstück
Die ausgeprägte Bemuskelung im Schulterbereich ist kennzeichnend für Westernpferde.

Unterschiede zur englischen Reitweise

Der Umstieg von der englischen Reitweise zum Westernreiten ist mit einigen tiefgreifenden Änderungen verbunden. Doch neben all den Unterschieden möchten wir eine Gemeinsamkeit hervorheben: die Gymnastizierung des Pferdes dient vorrangig der Gesunderhaltung des Tieres und sollte daher auch stets im Sinne des Tierwohls umgesetzt werden.

Ein direkter Vergleich der Ausbildungsskalas der beiden Reitweisen zeigt: die Ausbildungsziele sind nahezu identisch.

EnglischWestern
1. Takt1. Takt
2. Losgelassenheit2. Losgelassenheit
3. Anlehnung3. Nachgiebigkeit
4. Schwung4. Aktivierung der Hinterhand
5. Geraderichtung5. Geraderichtung
6. Versammlung6. Absolute Durchlässigkeit

Während die Aspekte Takt und Losgelassenheit in jeder Reitweise zu den Grundlagen der Ausbildung gehören, ist es im Westernreiten die Nachgiebigkeit, die anstatt der Anlehnung aus der Englischreiterei erreicht werden sollte. In der englischen Reitweise bedeutet Anlehnung die permanente Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul. Im Kontrast dazu steht die Nachgiebigkeit aus der Westernreiterei. Da die Hilfengebung beim Westernreiten impulsgesteuert erfolgt und nur punktuell eingesetzt wird, ist ein umgehendes Reagieren und Nachgeben auf die Zügelhilfen erwünscht. Das Westernpferd geht am durchhängenden Zügel und die Zügelhilfen werden, sobald Pferd und Reiter entsprechend ausgebildet sind, einhändig durchgeführt.

Die Aktivierung der Hinterhand aus der Westernreiterei und der Schwung aus der englischen Reitweise sind sich sehr ähnlich. Eine aktive Hinterhand stellt sozusagen die Grundvoraussetzung für den Schwung dar, der eine große Rolle bei der Tragkraft des Pferdes spielt, aber auch bei der Wendigkeit und bei der Kontrolle der verschiedenen Tempi. In der Westernreiterei wird der Fokus darauf gelegt, mithilfe der aktivierten Hinterhand enge Wendungen zu reiten, aber auch Manöver aus dem Stand heraus zu initiieren.

Das finale Ziel der Ausbildungsskala im Westernreiten beschreibt die absolute Durchlässigkeit. Diese kann vereinfacht als absoluter Gehorsam unter den Zügelhilfen sowie den Schenkel- und Gewichtshilfen unter Berücksichtigung der vorherigen Aspekte der Ausbildungsskala interpretiert werden. Während das oberste Ziel in der englischen Reitweise die Versammlung darstellt, die den Fokus auf die Entwicklung der Tragkraft legt, eigenständige Ausbalancieren mit aktivierter Hinterhand legt, ist das erwünschte Ergebnis der Ausbildung eines Westernpferdes aufgrund der Varianz der zahlreichen Manöver im Westernreitsport und den damit zusammenhängenden unterschiedlichen körperlichen Anforderungen etwas weitgreifender formuliert.

Westernreiterin mit Westernhut in schwarzem Showhemd mit schwarzen Westernchaps.

Die Hilfengebung

Die Hilfengebung basiert beim Westernreiten auf punktuellen Signalen, die die Arbeit mit dem Pferd erleichtern sollen. Vereinfacht gesagt, führt das Pferd so lange ein Kommando aus, bis es durch ein neues Signal ersetzt wird. Diese vereinfachte Art der Hilfengebung war für die Cowboys von großer Bedeutung, um sich auf das Treiben der Rinderherden zu konzentrieren und mehrere Stunden im Sattel sitzen zu können.

Neben den Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen, die auch aus der englischen Reitweise bekannt sind, werden von Westernreitern auch Stimmhilfen ergänzend eingesetzt. Ein klassisches Beispiel ist das „Whoa!“, das beim Anhalten des Pferdes eingesetzt wird. Die Stimmhilfen werden niemals als alleinige Hilfe gegeben, sondern im Sattel mit den restlichen Hilfen kombiniert oder vom Boden aus mit Handzeichen oder Körpersprache gegeben.

Die meisten assoziieren die einhändige Zügelführung mit dem Westernreitsport. Die Zügelführung durch das sogenannte „Neck Reining“ erfolgt über die Berührung des Pferdehalses – das Pferd weicht sobald die Zügel den Hals berühren in die entgegengesetzte Richtung aus. In den höheren Klassen wird einhändig im Bit geritten. Die Zügelführung von Anfängern und Westernreitern auf herkömmliche Trense erfolgt hingegen zweihändig.

Die Haltung

Der korrekte Sitz im Westernsattel unterscheidet sich nicht so stark von der englischen Reitweise. Der Oberkörper ist aufgerichtet und sollte gerade und ausbalanciert sein, der Kopf wird ebenfalls gerade und locker gehalten. Das Bein liegt jedoch im Kontrast zur Englischreiterei aufgrund der Steigbügelverschnallung viel länger. Dies ist den Cowboys zuzurechnen, da der Sitzkomfort mit angewinkelten Beinen im Sattel einfach nicht so groß ist, wie mit einem geraden, locker herabhängenden Bein.

Ausrüstung und Lebensstil

Die wohl prägnantesten Alleinstellungsmerkmale für das Westernreiten stellen die Ausrüstung von Pferd und Reiter und der damit verbundene individuelle Lebensstil der Westernreiter dar. Während Englisch-Reiter eher mit einem klassischen Erscheinungsbild in Verbindung gebracht werden, ist das Outfit für Westernpferd und Westernreiter etwas legerer. „Kleider machen Leute“ – der Esprit, der durch die Kleidung zum Ausdruck gebracht wird, spiegelt sich ebenfalls im Lebensgefühl der Westernszene wider: das Streben nach Freiheit, unkomplizierte Umgangsformen und Nostalgien aus dem Wilden Westen gehören bei den meisten Westernfans dazu. Doch auch hierzulande ist das Westernreiten mittlerweile mehr als nur verblichene USA-Romantik, der Turniersport gewinnt an Beliebtheit und rückt dadurch die leistungsorientierte Ausbildung von Pferd und Reiter in den Fokus.