Kinder im Reitsport – der Elternguide

Viele Reiterinnen und Reiter waren bereits von Kindesbeinen an fasziniert von Pferden und dem Reitsport und haben so ihren Weg in den aktiven Pferdesport gefunden. Dein Kind redet nur noch über Pferde und Ponys und möchte unbedingt auch mal auf dem Pferd sitzen?

Vater steht mit seiner Tochter vor einem Pony

Bei vielen Eltern – allen voran denjenigen, die selbst nicht aktiv im Reitsport sind – schlagen bei dem Gedanken, sein Kind auf ein mehrere hundert Kilo schweres Lebewesen zu setzen, erst einmal die Alarmglocken. Neben wenigen (berechtigten) Sorgen hat der Reitsport zahlreiche positive Aspekte für dein Kind zu bieten. Warum es sich lohnt, dem Reiten eine Chance zu geben und was du über die Anfänge des Reitenlernens wissen musst, erklären wir dir in unserem Elternguide.

Welche Vor- und Nachteile bietet das Reiten für mein Kind?

Präventionsmaßnahmen senken das Unfallrisiko

Jedes Elternteil kennt die täglichen Sorgen um sein Kind. Kinder lieben es hoch zu klettern, schnell Roller zu fahren oder von einer Mauer herunterzuspringen – und Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder ohne größere Blessuren durchs Leben kommen. Auch das Thema Reiten wird von vielen Eltern zunächst kritisch beäugt – zu groß ist die Angst, das Kind könnte vom Pferd stürzen, getreten oder gebissen werden.

Doch ist Reiten wirklich so gefährlich und was können Kinder von den sanften Riesen alles lernen?

Es ist eine Tatsache, dass Reiten zu den Top-Risikosportarten gehört. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit kam im Jahr 2015 zu einer Nennung von 4.100 Reitunfällen, die sich in Österreich ereigneten. Stürze können teilweise schwere Verletzungen an Kopf, Wirbelsäule und den Extremitäten mit sich tragen. Der Großteil der Verletzungen geschieht im Sattel, allerdings sollte man das Unfallpotential im Umgang mit dem Pferd vom Boden aus – beim Putzen, Führen, Füttern – nicht außer Acht lassen. Hier sind es dann häufig Tritt- und Bissverletzungen, die davongetragen werden.

So bedrohlich die Gefahren des Reitsports zunächst klingen mögen – Experten und auch Sportmediziner sind davon überzeugt, dass man das Risiko von schwerwiegenden Verletzungen im Reitsport enorm minimieren kann, indem man gezielte Präventionsmaßnahmen trifft:

Mädchen und ein Pony im Hintergrund
  • Die Grundlage für das Reiten bildet der sichere Umgang mit dem Pferd vom Boden aus. Kinder müssen darüber aufgeklärt werden, dass es sich bei einem Pferd nicht um ein Sportgerät oder Kuscheltier handelt, sondern dass es instinktgetrieben agiert und zu den Fluchttieren gehört. Sicheres Führen, Anbinden, Putzen und Anlegen der Ausrüstung sind ebenso Teil der reiterlichen Ausbildung wie die Zeit im Sattel.
  • Kinder langsam an das Reiten heranführen. Damit das Kind sich zunächst auf das eigenständige und ausbalancierte Sitzen konzentrieren kann, sind geführte Stunden zu Beginn ein Muss, bevor es dann an die Longe und im Anschluss in die Gruppenstunde geht.
  • Reiten erfordert maximale motorische Fähigkeiten, um sich selbst im Sattel auszubalancieren und gleichzeitig die richtigen Hilfen an das Pferd weiterzugeben. Ist auch im Alltag des Kindes viel Bewegung integriert, entwickelt es automatisch eine bessere Motorik, um sicher im Sattel zu sitzen und sich auch im Falle eines Sturzes sicher abrollen zu können. Beim Kinderturnen oder auch beim Voltigieren werden zusätzlich wichtige Muskelgruppen angesprochen und gedehnt, damit die Beweglichkeit auch im Sattel gewährleistet wird. Zudem schützen gut trainierte Muskeln auch vor schwereren Verletzungen an den Gliedmaßen.
  • Vor allem bei den jüngeren Kindern bis zum Teenager-Alter gilt: Kinder werden nie in Situationen mit Pferden alleine gelassen! Das gilt beim Putzen als auch beim Reiten.
  • Bei der Auswahl der Reitschule oder des Reitvereines solltest du darauf achten, dass die Pferde artgerecht gehalten werden, die Ausrüstung der Pferde ordentlich ist und passt und dass ein ausgebildeter Trainer die Tiere regelmäßig korrekturreitet. Der Reitlehrer oder die Reitlehrerin sollte über eine Ausbildung verfügen und insbesondere im Umgang den Kindern und mit den Pferden feinfühlig sein.

Ein lachendes Mädchen putzt ein Pferd

Thema Sicherheitsweste

Um den Schutz des Kindes zu erhöhen, denken viele Eltern über die Anschaffung einer Sicherheitsweste nach. Laut der FN ist das Tragen einer Sicherheitsweste, in den ersten Reitstunden eher kontraproduktiv, da sie durch das steife Material das Erlernen der ausbalancierten Sitzposition erschwert. Geht dein Kind später zum Ausreiten ins Gelände, erhöht die Sicherheitsweste den Schutz. Was du beim Kauf einer Sicherheitsweste oder eines Rückenprotektors beachten solltest, findest du in unserem Ratgeber Sicherheitswesten.

Mehr Informationen zur Erstausstattung für dein Kind, erhältst du im nächsten Kapitel unseres Ratgebers.

Welche Vorteile bietet das Reiten?

Neben dem Unfallrisiko, das sich bei gezielter Prävention entsprechend verringert, ist das Reiten für Körper und Psyche von Kindern und Jugendlichen eine tolle Sportart, die folgende Vorzüge mit sich bringt:

  • viel Bewegung und Ausdauertraining
  • Muskeltraining von Kopf bis Fuß
  • Verbesserung der Haltung und des Gleichgewichts
  • Verbesserung der motorischen und koordinativen Fähigkeiten
  • Konzentration
  • Übernehmen von Verantwortung
  • Selbstbewusstsein
  • Rücksichtnahme auf das Pferd und andere Mitreiter
  • Stressreduktion
  • Selbstwirksamkeit
  • Neue soziale Kontakte
  • Naturverbundenheit
  • u.v.m.
Reitschülerin

Welche Einstiegsmöglichkeiten für Kinder gibt es im Reitsport?

Die wichtigste Grundlage für das Reiten lernen ist der alltägliche Umgang mit dem Pferd vom Boden aus. In vielen Reitvereinen werden bereits für die Kleinsten ab 3 Jahren Kurse angeboten, in denen neben der Vermittlung theoretischen Fachwissens über Pferde und der Grundregeln im Umgang mit ihnen auch erste praktische Erfahrungen beim Putzen oder Anlegen der Reitausrüstung gemacht werden – selbstverständlich unter engmaschiger und einfühlsamer Aufsicht eines ausgebildeten Trainers.

Mädchen beim Voltigieren

Die meisten Kinder schnuppern erste Stallluft beim Ponyreiten, bei denen die Ponys von Vereinsmitgliedern des Stalls geführt werden. Der Führzügel-Unterricht ist ein idealer Einstieg, um dem Kind die notwendige Sicherheit im Sattel zu geben. So kann es sich voll und ganz auf die ersten spielerischen Übungen konzentrieren, um einen guten Reitersitz auszubilden.

Viele Kinder steigen auch über das Voltigieren in den Reitsport ein, wobei das gymnastische Turnen auf dem Pferd keinesfalls nur als Weg in den Reitsport angesehen werden sollte. Voltigieren als eigenständige Disziplin ist ein fest etabliertes Element der Sportarten mit dem Partner Pferd. Ein wichtiger Vorteil vom Voltigieren ist, dass die Kinder durch turnerische Übungen u.a. auch lernen, sich optimal vom Pferd zu lösen und am Boden abzurollen, was dem Kind im Falle eines Sturzes zugutekommt.

Wann kann mein Kind mit dem Reiten lernen anfangen?

Ein Mindestalter von 4 Jahren wird empfohlen, um mit Führzügel- oder Voltigierstunden auf einem Pony oder Shetty zu beginnen. Ungefähr mit Eintritt in die Schule kann dann in den meisten Fällen mit Longenstunden begonnen werden. Ist der Reitersitz solide und wurden bereits erste eigenständige Reiterhilfen etabliert, wechselt das Kind dann in den Gruppenunterricht zum Abteilungsreiten.

Wie viel kostet eine Reitstunde?

Reitstunden kosten je nach Art der Reitstunde (Gruppe, Longe, Führzügel, Einzelunterricht ) zwischen 15,- und 50,- €. Bitte bedenke hier, dass die Einnahmen aus den Reitstunden mitunter für die Haltungskosten der Pferde, die Instandhaltung der Stallanlagen sowie auch für die Bezahlung des Personals einfließt. Jedoch bedeuten hohe Reitstundenpreise nicht immer automatisch, dass die Pferde besonders artgerecht gehalten werden oder der Reitlehrer besonders qualifiziert ist. Prüfe daher genau, in welchem Stall du dein Kind anmeldest. Ein Besuch in der Stallanlage und ein ausführliches Gespräch mit dem künftigen Reitlehrer sind daher dringend zu empfehlen.

Wie finde ich einen guten Reitstall für mein Kind?

Bei der Suche nach einem geeigneten Reitverein für dein Kind, sollten Kindes- und Tierwohl sowie gut ausgebildete Reitlehrer und Reitlehrerinnen im Fokus der Entscheidung für einen Reiterhof stehen. Doch nicht immer ist es leicht, als Nicht-Reiter hinter die Kulissen eines Stalls zu blicken. Bevor du dein Kind in einer Reitschule anmeldest, solltest du den Stall unbedingt besichtigen und auch einen Gesprächstermin mit der oder dem Verantwortlichen vereinbaren, um dir ein umfassendes Bild von der Einrichtung zu machen.

Wir haben einen Fragenkatalog für dich zusammengestellt, der dir dabei hilft, alle wichtigen Punkte im Blick zu behalten:

Stall

  • Macht die Anlage einen gepflegten und freundlichen Eindruck?
  • Bei Boxenhaltung: lässt die Stallgasse genügend Tageslicht zu und sind die Boxen
  • mit Fenstern oder gar einem Auslauf ausgestattet?
  • Wie ist der Zustand von Box, Paddock und/oder Offenstall? Sind die Boxen und Paddocks groß genug? Wird regelmäßig gemistet? Riecht es stark nach Kot und Urin? Sind Tränken und Futterraufen sauber? Sind die Auslaufmöglichkeiten auch bei nassem Wetter relativ trocken? Sind die Gebäude intakt?
Reitanlage
  • Gibt es potenzielle Gefahrenquellen für Mensch oder Tier (Stromkabel, herausstehende Nägel, nicht weggeräumte Hindernisstangen)? Ist der Reitplatz eingezäunt?

Pferde

Pferdekoppel
  • Wie ist der gesundheitliche Zustand der Pferde? Achte hierbei besonders darauf, ob sie gut genährt aussehen, ob sie aufgeschlossen und freundlich auf Menschen reagieren und wie der Zustand von Haut und Fell sowie der Hufe ist.
  • Haben die Pferde täglichen Auslauf (im Offenstall oder auf der Koppel)?
  • Wie sieht die Beschäftigung der Pferde abgesehen vom Reitunterricht aus (Bodenarbeit, freies Laufenlassen in der Halle)?
  • Werden die Pferde regelmäßig korrekturgeritten?
  • Wie oft laufen die Pferde täglich im Unterricht mit? Stehen ihnen genügend Ruhepausen zur Verfügung, z.B. auch mal einen Tag unterrichtsfrei?
  • Gibt es ausreichend Schulpferde, um den Unterrichtsbetrieb zu gewährleisten? Ein guter Mix aus unterschiedlich großen Pferden und Ponys ist hilfreich, um für jedes Alter und jede Körpergröße ein passendes Pferd anbieten zu können. Insbesondere im Umgang mit Kindern sollten alle Schulpferde einen gutmütigen, geduldigen und nervenstarken Charakter haben.
  • Hat jedes Pferd seine eigene, passende und intakte Ausrüstung (Sattel, Trense, Gebiss, weiteres Zubehör wie Gamaschen etc.) inklusive eigenem Putzzeug?

Reitunterricht

  • Gibt es eine qualifizierte Reitlehrkraft für den Unterricht?
  • Insbesondere bei kleineren Kindern sind pädagogische Grundkenntnisse ratsam, um den Unterricht altersentsprechend zu gestalten.
  • Geht die Reitlehrkraft mit gutem Beispiel voran? Wird der Helm beim Reiten und Versorgen des Pferdes konsequent getragen?
  • Herrscht ein freundlicher Umgangston gegenüber Eltern, Kindern und Pferden? Kann die Lehrkraft auch in schwierigen Situationen im Umgang mit den Kindern einen kühlen Kopf bewahren? Geht sie geduldig auf Fragen ein und erklärt Eltern und Kindern die Vorgehensweisen?
  • Gibt es Theoriestunden für Kinder zur spielerischen Vermittlung von Wissen rund um Pferdeverhalten, Ausrüstung und Haltung?
  • Wird der Unterricht auf Pferden/Ponys angeboten, die der Größe und dem jeweiligen Kenntnisstand des Kindes entsprechen?
  • Kinder werden vor und nach der Reitstunde beim Putzen, Satteln und leichten Stalltätigkeiten eingebunden und je nach Alter auch ständig beaufsichtigt.
Reitschülerin mit Reitlehrerin
  • Für Kinder ist ein spielerischer und abwechslungsreicher Aufbau der Reitstunden wichtig.
  • Jedes Kind sollte auf seinem jeweiligen Kenntnisstand abgeholt werden und dabei begleitet werden.
  • Wird im Unterricht auf einen fairen Umgang mit dem Pferd geachtet?
  • Erhält jedes Kind in der Reitstunde ein konstruktives Feedback? Wird dieses altersgerecht kommuniziert? Kritik sollte unter vier Augen und nicht in der Gruppe formuliert werden.
  • Wie viele Kinder nehmen maximal an einer Stunde teil?

Gruppenstunden sollten nicht zu voll sein

In Gruppen von 8 oder mehr Reitern wird es in der Reithalle schnell unübersichtlich. In Kleingruppen von bis zu 4 Reitern ist der Reitunterricht für Schüler, Lehrer und Schulpferde am entspanntesten. Je weniger Schüler, desto effektiver kann sich der Reitlehrer auf die Ausbildung der Schüler konzentrieren. Einzelunterricht ist bei den kleinsten Reitneulingen jedoch keine kindgerechte Lösung. Sie sind auf soziale Interaktion unter Gleichaltrigen angewiesen und profitieren von der Gruppendynamik.

Sonstige Punkte

  • Ist der Reitstall gut zu erreichen? Können größere Kinder ihn eventuell auch schon alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad erreichen?
  • Herrscht eine gute Stimmung unter den Mitarbeitern im Stall?
  • Wie läuft die Organisation im Stall ab? Können Reitstunden unkompliziert online gebucht und/oder abgesagt werden?
  • Gibt es anderweitige Freizeitangebote wie Ferienprogramme? Können Kinder bei Interesse mit den Schulpferden auch an Turnieren teilnehmen?
Gruppe beim Ausreiten

Wie kann ich mein Kind beim Reiten lernen unterstützen?

Am häufigsten haben Eltern von pferdebegeisterten Kindern wohl mit Sicherheitsbedenken zu kämpfen. Mache dir bewusst, dass das Unfallrisiko durch die Einhaltung der empfohlenen Präventionsmaßnahmen erheblich sinkt und berücksichtige auch die vielen Vorteile für dein Kind, die das Reiten und der Umgang mit Pferden mit sich bringen.

Versuche dabei auch, deine Ängste und Sorgen nicht auf das Kind zu projizieren. Angst ist niemals ein guter Begleiter im Umgang mit dem Pferd und im Sattel.

Frau mit Pferd

Du hattest selbst noch keine Berührungspunkte mit Pferden? Wenn dein Kind sehr viel Zeit im Stall verbringt und noch von dir dabei begleitet werden muss, könnte es hilfreich sein, dich mit den Grundlagen im Umgang mit dem Pferd auseinanderzusetzen, vielleicht in Form eines Lehrgangs. Neben dem notwendigen Wissen um das Verhalten von Pferden werden in praktischen Übungen alltägliche Situationen im Stall eingeübt, z.B. das Führen, Anbinden und Putzen von Pferden. Auch die Sicherheitsaspekte sollten dabei beleuchtet werden. Wer als Elternteil selbst noch Bedenken hat, kann durch erste Kontakte mit dem Pferd mehr Sicherheit erlangen und auf diese Weise Ängste abbauen.

Höre deinem Kind zu, wenn es über sein neues Hobby spricht. Hole dir regelmäßig Feedback von deinem Kind und auch vom Reitlehrer ein, wie es im Unterricht läuft und ob er oder sie (noch immer) Spaß daran hat. Erfahre auch mehr über die Wünsche oder Ziele deines Kindes. Ist es mehr an Bodenarbeit interessiert oder will es mal eine andere Disziplin wie Westernreiten ausprobieren? Oder plant es, irgendwann an einem Turnier teilzunehmen? Hilf ihm dabei, seine selbst gesetzten Ziele zu erreichen, ohne zusätzlichen Druck aufzubauen. Mehr Informationen zum Thema Reitturniere für Kinder findest du in unserem Ratgeber.

Mädchen kuschelt mit Pferd

Sorge dafür, dass die besten Voraussetzungen für das Reiten lernen geschaffen sind. Neben der sorgfältigen Auswahl einer geeigneten Reitschule sollte auch das notwendige Equipment zur Verfügung stehen. So erleichtert geeignete und auf den Reitsport zugeschnittene Kinder-Reitbekleidung für dein Kind nicht nur das Reiten lernen (z.B. eine Vollbesatz-Reithose für besseren Grip im Sattel), sondern ist in vielen Fällen auch sicherheitsrelevant. Was daher unbedingt auf deiner Einkaufsliste für die Erstausstattung deines pferdebegeisterten Kindes stehen sollte, findest du im nächsten Kapitel unseres Ratgebers.